Skulptur „Freies Afrika“ zum Andenken an Anton Wilhelm Amo in Halle

Warum steht diese Skulptur in Halle und warum ist sie Anton Wilhelm Amo gewidmet? Wir möchten an dieser Stelle die Informationen zusammenfassen, die wir dazu bereits gesammelt haben.

Die Bronzeplastik „Freies Afrika“ wurde von dem Hallenser Bildhauer Gerhard Geyer vermutlich im Jahr 1963 erstellt. 1961 hatte Geyer an einer Studienreise nach Guinea und Ghana teilgenommen, welche im Rahmen einer politischen Annäherung zwischen der DDR und den neu unabhängig gewordenen Staaten Ghana und Guinea stattfand. Ghana und Guinea orientierten sich nach der Unabhängigkeit teilweise sozialistisch und standen deswegen im Austausch mit der DDR. Inspiriert von dieser Reise entwarf Geyer diese Statue. An Anton Wilhelm Amo hatte er dabei jedoch nicht gedacht. Ursprünglich sollte die Plastik im Auftrag des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB) nach Accra geschickt und dort aufgestellt werden. Das erklärt auch den Titel „Freies Afrika“. Der ursprüngliche Interpretationsrahmen des Titels als auch der Gestaltung kann als panafrikanisch-sozialistisch beschrieben werden. In diesem Sinne blicken der Schwarze Mann und die Schwarze Frau symbolisch gleichgestellt, erhobenen Hauptes und mit zur Faust geballten Händen in eine selbst-bestimmte Zukunft. Wie die stereotype Darstellung der Beiden jedoch zeigt (nackter Oberkörper, barfüßig, Kopfbedeckung der Frau), wurden rassistische Denkweisen nicht tiefgehend problematisiert trotz der offiziellen antiimperialistischen Agenda der DDR. Als die Statue fertiggestellt war, scheiterte der ursprüngliche Plan, sie nach Ghana zu schicken. Die Gründe hierfür sind uns bisher nicht bekannt. An diesem Punkt kam die Idee auf, sie in Halle aufzustellen und die damals neu entstandene Amo-Kommission an der Universität Halle wurde mit der Umsetzung beauftragt. Es wurden zunächst verschiedene Orte zur Aufstellung in Erwägung gezogen, z.B. auf dem Franckeplatz oder vor dem Haupteingang der Oper Halle, schließlich wurde sich jedoch für den heutigen Standort neben dem Robertinum entschieden.

Die Amo-Komission koordinierte zu dieser Zeit ein größeres Forschungsprojekt zu Anton Wilhelm Amo an der Universität Halle, welches 1963 durch die Regierung der DDR bewilligt wurde. Die Idee und Initiative hierzu gehen auf den Hallenser Archäologen Burchard Brentjes zurück, der im Folgenden entsprechend intensiv daran beteiligt war. Zentral sollte es um die Übersetzung der Werke Amos aus dem Lateinischen ins Deutsche, Englische und Französische gehen. Das Forschungsprojekt war politisch motiviert und sollte diplomatische Beziehungen zwischen Ghana und der DDR ermöglichen. Eine solche Anerkennung der DDR hätte die westdeutsche Hallstein-Doktrin durchbrochen, mit welcher die Bundesrepublik damals recht erfolgreich versuchte, eine internationale Anerkennung der DDR außerhalb des Warschauer Pakts zu verhindern. Mit dem Amo-Forschungsprojekt sollte die Sympathie Kwame Nkrumahs für die DDR gewonnen werden. Nkrumah war der erste Präsident des unabhängigen Ghanas und hatte ein ausgeprägtes Interesse an Amo, der nahe von Nkrumahs Herkunftsort geboren war und höchstwahrscheinlich, wie Nkrumah, Nzima als Muttersprache besaß. Nkrumahs Interesse an Amo zeigte sich deutlich an seinen Bemühungen, Zugang zu Amos Schriften zu erlangen (vgl. Wiredu 2004: 200), aber auch daran, dass er bestimmte Ideen Amos in seine Philosophie des ‘Consciencism’ integrierte (vgl. Nkrumah 2001: 18–19, 87).

Zum Abschluss des Amo-Forschungsprojekts sollte Nkrumah nach Halle eingeladen werden, die Übersetzung der Werke Amos sollte präsentiert werden und Nkrumah sollte die Ehrensenatorwürde der Universität Halle erhalten. Bei dem dafür geplanten Festakt sollte es auch zur Enthüllung der Plastik „Freies Afrika“ neben dem Robertinum kommen. Zu dieser Veranstaltung, geplant für den Sommer 1965, kam es jedoch nie; erst kam es zu Verzögerungen (Nkrumah war wohl zurückhaltend gegenüber einer Reise in die DDR, aufgrund der zu erwartenden außenpolitischen Konsequenzen), schließlich musste die Idee für den Festakt jedoch, aufgrund des Putsches in Ghana im Frühjahr 1966, mit dem Nkrumah als Präsident abgesetzt wurde, endgültig begraben werden. Die Statue wurde nichtsdestotrotz im Oktober 1965 enthüllt und es wurde eine Rede von Prof. Siegmund-Schultze über Anton Wilhem Amo gehalten. Daran zeigt sich, dass, auch wenn die Plastik zu diesem Zeitpunkt zwar nicht explizit Amo gewidmet, sie doch zumindest in Erinnerung an seine Person gesehen wurde. Zehn Jahre später, im Jahre 1975, wird diese Verbindung durch eine ca. 10 Meter vor der Plastik angebrachte Tafel zum „Andenken Anton Wilhelm Amos“ endgültig realisiert.

Wir, als Anton Wilhelm Amo Bündnis Halle (Saale), kritisieren die Art und Weise, wie Amo in Verbindung mit der Plastik “Freies Afrika” bis heute gedacht wird. Unsere Kritikpunkte seien kurz zusammengefasst:

  1. Bei der Betrachtung der Plastik wird Amo oft als die männliche der beiden Figur gelesen. Neben der Tatsache, dass, wie oben beschrieben, der Künstler Gerhard Geyer mit der Figur des Schwarzen Mannes keine Repräsentation Amos im Sinne hatte, ist zu betonen, dass Amo auch definitiv nicht so aussah. Es existieren zwar keine überlieferten Bilder von ihm, jedoch gibt es Beschreibungen seines Auftretens in europäischer, nobler Kleidung, wie sie zu seiner Lebzeit und seinem Stande gemäß üblich war. In der Lesart, die aus der aktuellen Verbindung von Plastik und Gedenktafel ensteht, droht Amo jedoch als in stereotyper ‘afrikanischer’ Bekleidung dargestellt zu erscheinen.
  2. Die diplomatischen Beziehungen nach Ghana waren ausschlaggebend für die Verbindung zwischen Amo und der Plastik. Seine afrodeutsche Identität wurde dabei nicht berücksichtigt. Stattdessen wurde er als ‘rein afrikanisch’ bzw. ghanaisch essentialisiert.
  3. Das so gelesene Gedenken an Amo hat den Effekt, dass die weibliche Figur in der Regel übersehen oder als fehl am Platz wahrgenommen wird. Die sozialistische Idee der Gleichstellung der Geschlechter tritt damit in den Hintergrund. Sinnbildlich kann die namenlose Frau neben dem als Amo gelesenen Mann so schließlich für eine patriarchale Geschichtsschreibung und -wahrnehmung stehen.

Die problematischen Dimensionen dieser Erinnerungspraxis werden vor allem deutlich, wenn man einen Vergleich mit Denkmälern, die weißen, v.a. männlichen Persönlichkeiten gewidmet sind, vornimmt. Es wäre wohl kaum denkbar, Immanuel Kant oder Karl Marx mit einer Statue zweier stereotyp dargestellter weißer Proletarier:innen zu gedenken (um in einer sozialistischen Vorstellungswelt zu bleiben).

Die Informationen zur Plastik haben wir aus Archivmaterialien der Universität Halle (UAHW: Rep. 7, Nr. 1587 + 1590; Rep. 40 II, Nr. 313; Universitätszeitung, 15.10.1965) sowie aus einem Gespräch, welches wir dankenswerterweise mit Frau Geyer führen konnten, entnommen.



Literatur

  1. Nkrumah, Kwame (2001): Conciencism. Philosophy and Ideology for
    De-Colonisation. London: Panaf Books.
  2. Wiredu, Kwasi (2004): Amo's Critique of Descartes' Philosophy of Mind. In: Kwasi Wiredu (Hg.): A Companion to African Philosophy. Malden, Mass: Blackwell, S. 200–206.